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Die EU muss als Ordnungsmacht wirken

Jede EU-Erweiterung ist historisch, auch die nächste. Ein Kommentar.
Berlin, illuminiertes Brandenburger Tor Zum 20. Jahrestag der EU-Erweiterung vom 1 Mai 2004 wird das Brandenburger Tor a
Foto: IMAGO/Christian Spicker (www.imago-images.de) | Illuminiertes Brandenburger Tor Zum 20. Jahrestag der EU-Erweiterung am 1. Mai 2004: Die EU hat gar keine Wahl. Sie muss jetzt die Verantwortung für den ganzen Kontinent schultern.

Angesichts der Beitrittskandidaten, die heute vor der Türe der Europäischen Union hungernd und frierend auf Einlass warten, wird gerne vergessen, dass jede Erweiterung dieses exklusiven Clubs eine historische Herausforderung war. Schon die Beitritte Spaniens, Portugals und Griechenlands eröffneten nicht bloß eine neue Epoche für diese Länder, sondern waren ein Beitrag zur Europäisierung der damaligen Europäischen Gemeinschaft.

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Vor nunmehr 20 Jahren, am 1. Mai 2004, hatten Politiker unterschiedlicher nationaler und ideologischer Herkunft die Gewissheit, eine Schicksalsstunde zu erleben: Mit der Aufnahme von acht mitteleuropäischen und zwei mediterranen Staaten überwand die EU die tragische Teilung des Kontinents, machte den Eisernen Vorhang und den Ostblock unseligen Angedenkens endgültig zum finsteren, aber überwundenen Kapitel europäischer Geschichte.

Erst historische Kraftanstrengung, dann große Ermattung

Auf die historische Kraftanstrengung folgte die große Ermattung: Von einer drohenden „Überdehnung“ der EU war die Rede, ihr Reformbedarf wurde zum Vorwand, in Zögerlichkeit zu verfallen. 2007 wurden – nun schon ohne Pathos – die Sorgenkinder Bulgarien und Rumänien aufgenommen, 2013 nach lächerlichen bis bösartigen Widerständen auch Kroatien. Alle anderen platzierte Brüssel auf der langen Bank. Nicht ohne die erwartbaren Folgen, denn nicht nur Fehlentscheidungen rächen sich, sondern auch Entscheidungsschwäche und Untätigkeit.

Heute ist sonnenklar, dass sich andere, feindselige Kräfte breit machen, wo die EU nicht selbst als Ordnungsmacht wirkt. Das betrifft den Balkan, wo Russen, Chinesen, Türken und Araber ihre Interessen entfalten, ebenso wie Osteuropa. Jene, die den Preis für die Stabilisierung dieser Regionen durch EU-Integration zu hoch fanden, könnten am Beispiel der Ukraine nachrechnen, wie teuer die Destabilisierung kommt. Die EU hat gar keine Wahl: Sie muss jetzt die Verantwortung für den ganzen Kontinent schultern.

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Stephan Baier

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